Erfahrungen mit dem Moskwitsch 412 als Alltagsfahrzeug


Nachdem ich nun mit meinem Moskwitsch seit seiner Wiedergeburt im Jahr 2000 einige Kilometer hinter mich gebracht habe (es sind allein in den letzten fünf Jahren etwa 25000 km gewesen), möchte ich hier ein paar Erfahrungen über den Typ 412 im heutigen Alltag schildern. Ich habe ihn im Sommer wie im Winter bei gutem und schlechtem Wetter gefahren.

Das Fahrverhalten und die Fahrleistungen:

    Die Fahrleistung des Fahrzeuges ist durch den kräftigen 1500-er Motor mit 75 PS auch heute noch absolut ausreichend und weit dynamischer, als man es einer so betagten Karosse zutraut. Der Wagen kann in der Stadt und auf der Landstraße mit anderen Fahrzeugen gut mithalten. Ich erlebe es selten, das jemand mich auf der Landstraße überholen muss. Eine angenehme Geschwindigkeit ist 80 km/h, wobei ich im Alltag meist mit 90-100 km/h auf der Landstraße unterwegs bin. Auf der Autobahn fahre ich etwa 110 km/h, beim Überholen 120 bis 130 km/h. Die Höstgeschwindigkeit von 150 km/h erreicht er ohne Murren. Alles ab 80 km/h ist für heutige Maßstäbe allerdings ziemlich laut.

    Gewöhnungsbedürftig - aber auch wieder spannend - ist für den verwöhnten Autofahrer von heute, das er sich etwas mehr mit den Betriebszuständen seines Fahrzeuges auseinandersetzten muss. Das Warmfahren bis zur Betriebstemperatur mit dem Starter ohne das der Motor an der Kreuzung ausgeht muss man erst (wieder) erlernen. Auch die zusätzliche Regelung der Betriebstemperatur im Winter über die Kühlerjalousie oder im Sommer in den Bergen auch mal über die Fahrzeugheizung, das häufige Schalten, das Lenken ohne Servolenkung - all das ist schon etwas anstrengender. Es macht aber eben auch den Reiz am Oldi-Fahren aus.

Ich kann mich aus DDR-Zeiten an einige heikle Fahrsituationen mit dem Moskwitsch erinnern. Regen, kombiniert mit Kopfsteinpflaster oder Spurrinnen waren mit dem Mossi immer mit Vorsicht zu genießen. Das hat sich durch die viel besseren Straßen und sicher auch durch bessere Reifen heutzutage sehr relativiert. Trotzdem muss man mehr als bei den modernen Fahrzeugen auf einen plötzlichen Fahrbahnzustandswechsel achten, um nicht eine Überaschung zu erleben, wenn z.B. kurz vor einer Kurve eine Asphalt- in eine Kopfsteinpflasterstrecke übergeht - was zugegeben aber immer seltener vorkommt :-).

Die Sicherheit:

Man muss sich natürlich darüber im Klaren sein, das man beim Oldtimerfahren auf viele Sicherheitsattribute von heute im Ernstfall verzichtet. Das beginnt bei so grundlegenden Dingen wie den Bremsen, die beim Moskwitsch 412 mit dem Bremskraftverstärker zwar schon sehr gut wirken, als Trommelbremsen vorn jedoch schon mal etwas ungleichmäßig ziehen können. Auch verfügt der 412-er wie viele Fahrzeuge aus den 60-ern nur über einen Bremskreis. Wenn dieser Kreis versagen sollte bleibt nur noch die Handbremse, die dementsprechend gut eingestellt sein muss... Deshalb habe ich mir einen Warnsummer eingebaut, der sofort auf abfallende Bremsflüssigkeit reagiert um in dieser Hinsicht wenigstens etwas abgesichert zu sein.

Auch auf so schöne Helferlein wie ABS und Airbag muss man natürlich im Fall der Fälle verzichten.

Ab 1969 erschien das Modell 412 IE. Das I steht hierbei für Internationaler Standard der passiven Sicherheit, das E für Export. Alle 412-er ab Baujahr 69, die in die DDR eingeführt wurden, dürften diesem Stand entsprechen. Dazu gehören einberechnete Karosserieknautschzohnen vorn und hinten, gepolstertes Armaturenbrett und nicht hervorstehende Bedienelemente. Weiterhin sind Aufnahmepunkte für Anschnallgurte nicht nur vorn sondern auch für die Rücksitze vorgesehen und manche 412-er verfügen auch schon über eine Teleskoplenksäule, die sich bei einem Aufprall zusammenschiebt.

Kopfstützen sind leider erst beim Nachfolgemodell dem Typ 2140 vorhanden (genau so wie eine gute Zweikreis-Bremsanlage mit Scheibenbremsen vorn).

Woran man auch denken sollte: Der 412-er hat noch keinen Warnblinkschalter (auch diesen gab es erst beim Nachfolgemodell). Ich habe den Schalter unterm Armaturenbrett nachgerüstet.

Einige sinnvolle Nachrüstungen:

Bremsflüssigkeitsüberwachung

Anschnallgurte hinten

Warnblinkschalter

Die Zuverlässigkeit:

Der Mossi ist in den letzten Jahren nicht ein einziges mal unterwegs liegengeblieben. Nur einmal musste ich ihn morgens ankurbeln, da hatte ich aber selbst das Licht vergessen.

Bei einem über 35 Jahre alten Auto gibt es natürlich hin und wieder etwas zu reparieren oder zu überholen (bei mir waren das in den letzten Jahren z.B.: Benzinpumpenmembran, Bremsanlage, Simmerringe, Kupplung, Kugelbolzen, Türdichtungen).

Den Motor hatte ich bei der Restaurierung nur äußerlich gereinigt, bisher läuft er tadellos. Vor kurzem bekam er mal neue Kurbelwellensimmerringe.

Ein zusätzlicher Benzinfilter vor dem Vergaser ist nützlich (Düsen müssen dann seltener gereinigt werden).

    Wartungs- und Einstellarbeiten: Ölwechsel und Filterwechsel alle 10000 km. Auch Ventile müssen etwa alle 10000 km nachgestellt werden. Zündung vielleicht etwas häufiger, wenn man immer volle Leistung haben will. Kupplungsspiel muss ebenfalls etwa alle 10000 km kontrolliert werden. Vergaser reinigen bei Bedarf. Abschmieren der Radaufhängungen alle 10000 km. Bei meinem Fahrzeug sind dafür teilweise noch Staufferbuchsen verbaut, das macht das Abschmieren noch einfacher als mit Fettpresse.

    Das sich eher als bei modernen Fahrzeugen mal hier ein Stellknopf löst oder mal dort eine Dichtung porös wird ist zu erwarten, für den Oldi-Fan aber eher nicht die Katastrophe...

Unterhaltskosten:

    Ab Zustand 3 kann jeder 412-er als Oldtimer zugelassen und versichert werden. (gebaut bis 1975 sind alle mindestens 30 Jahre alt) Steuer kostet mit H-Kennzeichen 191 Euro. Die Oldtimer-Versicherung beträgt bei mir 130 Euro im Jahr, das kommt auf den Versicherer und meist auf die Benotung des Fahrzeuges an. Je besser der Zustand um so geringer die Haftpflicht-Prämie.

TÜV und ASU sind alle zwei Jahre fällig. Zu Reparaturkosten kann ich nicht viel sagen, die Arbeiten mache ich selbst.

An Benzin verträgt der Moskwitsch Motor alles. (Das war eine der Anforderungen, die sich damals an die sowjetischen Entwickler stellten.) Damit der Motor bei geringer Oktanzahl aber nicht klingelt muss die Zündung entsprechend verstellt werden. Die 412-er haben dafür eine Oktan-Einstellschraube am Zündverteiler. Mit Super läuft er meines Erachtens am besten. Obwohl ich bisher oft gehört habe, das der Motor auch unverbleites Benzin problemlos verträgt, schütte ich sicherheitshalber immer einen Bleiersatz beim Tanken dazu. E10 Kraftstoff würde ich beim Oldtimer lieber nicht tanken.

Ersatzteile gibt es - aber Vorsicht:

    Ersatzteile gibt es und sie sind beim Moskwitsch meist preiswerter als bei unseren Neufahrzeugen. Wer Oldtimer fährt, besorgt sich seine Teile in der Regel über das Internet oder über die Teilemärkte bei Treffen. Neue Verschleissteile gibt es immer noch genug (z.B. Bremsen-Teile, Handbremsseile, Kupplung, Motoren, Rückleuchten und Blinker u.s.w.). Zur Qualität der Teile siehe unten.

    Was man kaum noch bekommt sind Teile für Armaturenbrett, Türverkleidung, Lenksäulenschalter, Lenkrad. Diese Kunststoffteile verziehen sich oft und es gibt kaum Ersatz. Wenn man sich einen Moskwitsch zulegt, sollten diese Teile alle vollständig und intakt sein.

Vorsichtig sollte man mit den vielen Nachfertigungen sein, die als Neuteile insbesondere bei eBay angeboten werden. Diese nachgefertigten Teile haben oftmals mit der Originalqualität nichts mehr zu tun. Sie sind manchmal in der Qualität so schlecht, das man sich die ganze Arbeit des Einbaus umsonst macht und im schlimmsten Fall sogar irgendwo liegen bleibt. Kaputte Gewinde in nagelneuen Bremszylindern hatte ich selbst schon. Ein Moskwitsch Schrauber erzählte mir von einem abgerissenen Bolzen an neuen Lenkungsteilen bei der Montage. So etwas zu verkaufen ist schon lebensgefährlich.

    Der gute Ruf des Moskwitsch als "unkaputtbar" wird durch solche Teile im nachhinein auch noch gestört.

    Das einzige mal, das ich in den letzten zehn Jahren mit dem Moskwitsch liegen blieb, war mit einer defekten Benzinpumpe nachdem ich einen neuen Reparatursatz eingebaut hatte und dieser sich im Kraftstoff nach wenigen Wochen aufgelöst hatte (Reste der "Ersatzteile" sind links zu sehen)

Wichtig also für alle Ersatzteile:

Rost:

    Auch nach einer gründlichen Überholung der Karosserie bleibt der Mossi an Problemstellen rostanfällig. Allerdings nur, wenn man nicht darauf verzichten will, ihn auch im Winter zu fahren. Der Grund ist natürlich das leidige Streusalz auf unsreren Straßen. Selbst ohne Niederschläge bleibt die Straße im Winter feucht und trocknet tagsüber nicht richtig ab. Diese streusalzhaltige Feuchtigkeit macht dem Unterboden und den Chromteilen sehr zu schaffen. Ich werde in diesem Winter nur noch bei absolut trockenem Wetter fahren...


Zusammenfassend kann man sagen, das das Fahrzeug für Oldtimer-Freunde, die Ihr Auto nicht nur zu Treffen oder an Feiertagen, sondern auch im Alltag hin und wieder mal fahren wollen, sehr gut geeignet ist.

Insbesondere die gute Motorisierung, die geringen Unterhaltskosten und (mit Abstrichen, s.o.) die Teileversorgung machen Freude. Kleine Reparaturen dürften für den Oldtimer-Liebhaber kein Problem sein. Größere Probleme gab es bei mir bisher nicht. Natürlich sind auch die nicht auszuschließen, aber im Unterschied zu den modernen Fahrzeugen, macht mir das beim Mossi, wo man einen Motor für 200 Euro bekommt, kein Kopfzerbrechen...

Für zurückhaltendes Fahren bietet das Fahrzeug auch ausreichend Sicherheitsmerkmale. Wer noch etwas mehr Fahrsicherheit sucht, der kann den Typ 2140 fahren, der dann schon über ein Zweikreisbremssystem, Scheibenbremsen vorn, Kopfstützen und einem Lenkradpralltopf verfügt. Aber dafür gibts dann auch kein Chrom mehr :-).

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